Siamesische Zwillinge:Mercy und Goodness getrennt
Münchner Chirurgen haben erfolgreich die siamesischen Zwillingsschwestern Mercy und Goodness aus Nigeria getrennt. Die viereinhalbstündige Operation verlief ohne Komplikationen.
Mercy und Goodness, auf Deutsch Gnade und Güte, heißen die beiden einjährigen Mädchen aus Nigeria, die als siamesische Zwillinge geboren wurden. Nun sind sie bei einer Operation im Kinderkrankenhaus des Universitätskliniku*ms München erfolgreich getrennt worden. "Mercy und Goodness geht es inzwischen gut, die Operation ist genau wie geplant verlaufen", berichtet Klinikdirektor Professor Dietrich vonSchweinitz.
Die in Nigeria geborenen Kinder sind mit ihrer Mutter bereits seit dem Sommer in München, die Operation fand am 21. November statt. Doch die Klinik und die betreuenden Rotkreuz-Schwestern wollten Druck von außen vermeiden und berichten deshalb erst jetzt von derAktion.
Vermittelt hat die Behandlung in Deutschland die Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und ihre Oberin Karin Meincke. "Wir betreuen in Nigeria ein Krankenhaus und hatten von den Zwillingen erfahren. Daraufhin haben wir uns entschlossen, den Kindern zu helfen", erklärtMeincke.
Die beiden Mädchen waren im unteren Brust- und Bauchbereich miteinander verwachsen, sie wurden in einer viereinhalb Stunden dauernden Operation getrennt. Die Ausgangssituation für die Trennung sei nach Angaben der Ärzte insgesamt günstig gewesen, weil beide Kinder im Mutterleib bis auf die Leber alle anderen Organe doppelt entwickelt hatten. Beide besaßen jeweils eigene Darm- und Blutgefäßsysteme sowie vollständig ausgebildete Arme und Beine. An der Operation waren sechs Chirurgen und zwei Narkoseteamsbeteiligt.
"Die Mädchen werden wahrscheinlich ein ganz normales Leben führen können, abgesehen von einer Narbe am Bauch", freut sich von Schweinitz über den gelungenen Eingriff. "Es sind ganz süße, lebhafte Mädchen, die eine ist etwas robuster, die andere zarter - ganz normale Kindereben."
Mercy und Goodness werden noch einige Zeit in München bleiben, bis die Wunden verheilt sind und sich ihr Allgemeinzustand festigt. Die Ärzte raten außerdem zu einer physiotherapeutischen Betreuung, um die im ersten Lebensjahr entstandenen Haltungsschäden und Muskeldefizite wiederauszugleichen.
Auch vor der Operation waren umfangreiche Vorbereitungen notwendig. Plastische Chirurgen mussten unter anderem über eine Hautdehnung Material für die Abdeckung der großen Wundengewinnen.
Als siamesische Zwillinge bezeichnet man eine Fehlentwicklung, bei der eineiige Zwillinge nach der Geburt körperlich miteinander verbunden bleiben. Nach Schätzungen von Medizinern tritt das Phänomen höchstens bei einer von 50.000 Geburten auf. Im Schnitt sterben 30 von 100 siamesischen Zwillingspaaren vor derGeburt.
Das Haunersche Kinderspital hat in den letzten 50 Jahren 13 siamesische Zwillinge behandelt, elf Trennungen warenerfolgreich.
Neben den medizinischen Risiken stellte die Geldfrage ein Problem bei der Trennung von Mercy und Goodness dar. Die Behandlung kostet rund 35.000 Euro, die DRK-Schwestern sammelten bisher etwa 25.000 Euro. "Dabei hatten wir viel Unterstützung, so hat uns die Sängerin Andrea Berg aus Krefeld großzügig unterstützt", erklärtMeincke.
© SZ vom 5.12.2007/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
